Synode: 'Bildung ist Aufgabe auf allen Ebenen'
Dessau-Roßlau, am – Die Synode der anhaltischen Landeskirche hat bei ihrer Frühjahrstagung am Sonnabend beschlossen, das kirchliche Engagement im Bildungsbereich zu verstärken. „Bildung gehört zum Wesen des christlichen Glaubens, ist eine Dimension allen kirchlichen Handelns und darum Aufgabe auf allen Ebenen unserer Kirche“, heißt es in dem Beschluss. Die Synode empfiehlt den Gemeinden, Kirchenkreisen, Werken und Einrichtungen, dem Bildungsauftrag hohe Priorität in der täglichen Arbeit einzuräumen.
Der Landeskirchenrat solle Bildungsinitiativen in Kirchengemeinden und Kirchenkreisen begleiten, fördern und auswerten. Kirchengemeinden sollen nach dem Willen des Kirchenparlaments enger mit Schulen zusammen arbeiten. Hervorgehoben wird in dem Beschluss, dass noch stärker auch sozial benachteiligte Menschen Zugang zu evangelischen Bildungsangeboten haben sollen. Die Synode dankte allen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden in Gemeinden, Kindertagesstätten, Schulen, Werken und Einrichtungen für ihre Arbeit. Bereits am Freitag hatten sich die Synodalen in Vorträgen und Diskussionen mit dem kirchlichen Bildungsauftrag befasst. Dr. Matthias Hahn, Direktor des Pädagogisch-Theologischen Instituts in Drübeck, warb dabei für die Gründung von Gesamtschulen in evangelischer Trägerschaft, die es bislang in Sachsen-Anhalt nicht gibt. „Wer eine bildungsgerechte Schule will, in der alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von Elternhaus und kultureller Herkunft die gleichen Chancen haben – der muss sich aus evangelischer Sicht für ein integratives Schulsystem einsetzen“, sagte der Theologe. Hahn hob weiter die Bedeutung des Religionsunterrichts hervor, der zu einer stärkeren Werteorientierung der Schulen beitrage. „Der evangelischen Bildung in der Schule geht es nicht darum, kirchentreue Christen zu erziehen, sondern darum, Menschen zu einem eigenen begründeten Standpunkt zu verhelfen.“ Reflektierter und gebildeter Glaube, so Hahn, schütze vor Fundamentalismus und führe zu selbstbewusster Toleranz. Zugleich mahnte Hahn, dass die evangelische Kirche sich umfassender und stärker für Kinder und Jugendliche einzusetzen solle. Der Personalabbau der vergangenen Jahre bei hauptamtlichen Gemeindepädagoginnen und –pädagogen könne nicht komplett durch die Arbeit Ehrenamtlicher kompensiert werden. Bildungsdezernent und Oberkirchenrat Manfred Seifert gab einen Überblick über die Bildungsarbeit in der anhaltischen Landeskirche. Er hob hervor, dass diese künftig noch mehr als Aufgabe aller Arbeitsbereiche und Arbeitsfelder gesehen werden müsse. „Wir gehen davon aus, dass es sich bei religiöser Bildung um ein Menschenrecht handelt im Sinne der positiven Religionsfreiheit.“ Eine besondere Bildungsaufgabe hätten auch evangelische Kindertagesstätten. „Dabei müssen wir uns jedoch klar machen, dass die Kinder nicht einfach Objekt unserer Bildungsbemühungen sein dürfen, sondern zum selbsttätigen Lernen angespornt werden müssen. Dieser Bildungsprozess darf keinem weiteren Zweck unterworfen sein.“ Aus seiner praktischen Erfahrung berichtete Pfarrer Matthias Seifert, der gemeinsam mit seiner Frau in Wolfen-Nord das evangelische Christophorushaus leitet, eine vom Land Sachsen-Anhalt anerkannte Familienbildungsstätte. In einem sozialen Brennpunktbereich angesiedelt hält das Christophorushaus ein umfassendes Bildungsangebot bereit, das von vielen Menschen auch außerhalb des kirchlichen Bereiches angenommen wird. Seifert machte deutlich, dass daneben auch genuin kirchliche Bildungsangebote wie die Christenlehre eine gute Zukunft hätten, „wenn sie in der Form immer wieder variiert werden“. Heidrun Henning reflektierte ihren Alltag als Religionslehrerin in Ballenstedt und bezeichnete das Schulfach Religion als „bestes Mittel gegen die Verflachung des Unterrichts“. Die Pädagogin warb für eine stärkere Kooperation und ein stärkeres gegenseitiges Wahrnehmen von Kirchengemeinden und Schulen. Dieter Maess, ehemaliger Leiter des Schulverwaltungs- und Kulturamtes im Landkreis Bitterfeld, ging – auch anhand seiner eigenen Biografie – auf die Vielschichtigkeit des evangelischen Bildungsbegriffs ein. Er plädierte dabei für eine stärkere Anbindung der biblischen Botschaft an den Alltag der Menschen. ---------------------------- Hintergrund: evangelische Bildungsarbeit an Schulen in Anhalt Im Schuljahr 2007/08 unterrichten an staatlichen Schulen zehn Pfarrerinnen und Pfarrer sowie 13 Gemeindepädagoginnen und -pädagogen Evangelische Religion. Sie erteilen zusammen wöchentlich 184 Stunden Unterricht. Neun Lehrkräfte sind dabei zu mehr als 50 Prozent in der Schule tätig (im Stellenumfang von 5,1 VBE = Vollbeschäftigteneinheiten). Die anderen 14 Lehrkräfte sind mit einem Stundenumfang von zwei bis sieben Wochenstunden nebenamtlich oder nebenberuflich in der Schule tätig (in Stellen umgerechnet 2 VBE). Dazu kommt noch der Religionsunterricht an den kirchlichen Schulen. Zusammen mit den staatlichen Lehrkräften wurden nach Angaben des Landesverwaltungsamtes im Schuljahr 2006/07 22 Prozent der Schülerinnen und Schüler an Gymnasien in Sachsen Anhalt durch den evangelischen Religionsunterricht erreicht. In den Grundschulen waren es 20 Prozent, während in den Sekundarschulen lediglich 9 Prozent und in den Berufsbildenden Schulen nur 1,2 Prozent der Schülerschaft durch den Evangelischen Religionsunterricht erreicht wurden. Oberkirchenrat Seifert: „Insgesamt liegen hier noch Möglichkeiten brach. Und es bleibt die Frage, wie die Teilnehmenden am Evangelischen Religionsunterricht mit kirchlichen Angeboten in Berührung gebracht werden können. Zum Teil geschieht das durch solche Aktionen wie das Kindercamp.“ Kirchliche Schulen in Anhalt sind die drei Grundschulen, eine Schule mit Ausgleichsklassen der Stiftung Evangelische Jugendhilfe St. Johannis in Bernburg und die Krankenpflegehilfeschule des Diakonissenkrankenhauses Dessau, in der neben der Ausbildung gemäß dem Krankenpflegegesetz auch biblisch- diakonischer Unterricht erfolgt. In den drei Grundschulen werden 420 Kinder vor rund 40 Lehrkräften unterrichtet. In Zerbst gibt es eine Initiative zur Gründung einer Evangelischen Grundschule und in Osternienburg soll eine Gemeinschaftsschule (Integrierte Gesamtschule) durch einen Trägerverein, der der Evangelischen Kirche nahe steht, gegründet werden. Der Genehmigungsantrag wird zurzeit im Kultusministerium bearbeitet. Mit der Errichtung des Martinszentrums ist ein deutschlandweit beachtetes pädagogisches und architektonisches Projekt umgesetzt worden. Bildungsarbeit mit Erwachsenen in den Gemeinden Neben der Arbeit der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt und der Evangelischen Erwachsenenbildung Sachsen-Anhalt ist die Bildungsarbeit als Dimension kirchlicher Arbeit generell auch im Erwachsenenbereich tätig. Erwachsenenbildung ist in besonderer Weise Selbstbildung durch Anteilnehmen und Anteilgeben. Selbstbestimmung im Bildungsprozess ist eine notwendige Voraussetzung für dessen Gelingen. Begleitung, Anregung und Moderation sind gefragt statt Betreuung. Über die Evangelische Erwachsenenbildung werden jährlich mehr als 3400 Stunden Bildungsarbeit erfasst. Weitere Infos (PDF): Übersicht Evangelische Kindertagesstätten mit Plätzen und Mitarbeitenden, Bildung im Elementarbereich, Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen Dessau-Roßlau, 26. April 2008