"Selbstbewusst, vernünftig und fromm"
Dessau-Roßlau, am – In seinem Bericht zum Auftakt der Frühjahrstagung der Anhaltischen Landessynode in Dessau hat Kirchenpräsident Joachim Liebig am heutigen Freitag davor gewarnt, die Katastrophe in Japan zum Anlass für eine allgemeine Zivilisations- und Technikkritik zu nehmen.
„Ein in Deutschland untergründig immer wieder feststellbarer Zug zu teils vorindustriellen Zivilisationsformen und ihrer scheinbar richtigeren Haltung ist meiner Meinung nach nur Ausdruck für eine mangelnde Auseinandersetzung mit gegenwärtigen Problemen“, sagte Liebig. Eine Flucht in private Refugien naturnahen Lebens sei ethisch unverantwortlich. „Allerdings führt uns die Situation in Japan in drastischer Weise die Konsequenzen menschlichen Tuns vor Augen.“
Die Antwort des christlichen Glaubens darauf sei die stets neue Erinnerung an die Verantwortung der Menschen vor Gott und der Schöpfung. Wenn auf dieser Grundlage Entscheidungen gefallen seien, müssten sie auch zu konsequentem Handeln führen, betonte der Kirchenpräsident.
Thematischer Schwerpunkt der Beratungen der Frühjahrssynode ist das Thema „Ökumenische Partnerschaften“. Nach einem Vortrag des Direktors des Berliner Missionswerkes, Roland Herpich, zum Verhältnis von „Ökumene und Weltmission zu Beginn des 21. Jahrhunderts“ berichtete der Kreisoberpfarrer des Kirchenkreises Zerbst, Jürgen Tobies über eine Gemeinde Partnerschaft in Pennsylvania (USA)und Udo Stork von der Dessauer Petrusgemeinde über Entwicklungen der langjährigen Partnerschaften mit westdeutschen Gemeinden. Nach Arbeitsgruppen und Diskussion zum Synodenthema stehen heute noch Lesungen eingiger Kirchengesetze auf dem Programm.
Die Situation der Evangelischen Landeskirche Anhalts bezeichnete Liebig als stabil und „durchaus erfreulich“. „Die Landeskirche geht dauerhaft den Weg überschaubarer Größe in Verbindung mit enger Zusammenarbeit in der Nachbarschaft und anderen gliedkirchlichen Vereinigungen. Alle wesentlichen Belange kirchlicher Arbeit können auf diese Weise erledigt werden. Sofern wir Dienstleistungen in Anspruch nehmen, werden diese entsprechend entgolten.“
Ein neuer Ansatz der Arbeit in der Landeskirche seien geplante Besuche landeskirchlicher Vertreter in allen Regionen der Landeskirche. Eine Region wird jeweils von mehreren Gemeinden gebildet, die durch regionale Zusammenarbeit ihre Angebote bündeln und verbessern können. Die Besuche sollen dazu beitragen, Schwierigkeiten bei der Regionalisierung auch mit landeskirchlicher Hilfe zu überwinden.
Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt für die Landeskirche, so Liebig, sei ein stärkeres Engagement im Bereich des spirituellen Tourismus, unter anderem durch eine bereits bestehende landeskirchliche Arbeitsstelle „Kirche und Tourismus“. Prägend würden sich auch zahlreiche geplante Aktivitäten im Zuge der Feierlichkeiten zum 800-jährigen Bestehen der Region Anhalt im Jahr 2012 auswirken, sagte der Kirchenpräsident.
Liebig nannte an dieser Stelle unter anderem eine eigene kirchliche Projektstelle „Anhalt 800“, die Fahrt zum Kirchentag 2011 nach Dresden mit einem Fahrgastschiff als „Schwimmende Anhaltische Bo(o)tschaft“ sowie neuerliche Überlegungen, eine „Anhaltische Landschaft“ als unbürokratische Plattform für gemeinsame Aktivitäten in Anhalt ins Leben zu rufen.
Als entscheidend für das Selbstverständnis der anhaltischen Landeskirche bezeichnete Kirchenpräsident Liebig die drei Begriffe „selbstbewusst – vernünftig – fromm“. Dabei gebe nicht zuletzt die reiche reformatorische Tradition in Anhalt Anlass für Selbstbewusstsein trotz zahlreicher Abbrüche in den folgenden Jahrhunderten. „Nach meiner festen Überzeugung sind wir als Evangelische Landeskirche Anhalts in all ihren Gemeinden, Gliederungen, Diensten und Werken dabei, neues Selbstbewusstsein zu erobern. Die Kirche im Allgemeinen und selbstverständlich die Kirche in unserer anhaltischen Region ist nicht der Verlierer der Geschichte! Im Gegenteil! Fernab allen unkirchlichen Triumphalismus‘ können wir mit großer Dankbarkeit sagen, wir haben alle Möglichkeiten, unserem kirchlichen Auftrag gerecht zu werden.“
Dazu gehöre zwar auch eine hinreichende Finanzausstattung, viel bedeutsamer sei jedoch eine große Fülle von Menschen mit unterschiedlichen Begabungen, die sich in den Dienst der Kirche und ihres Auftrags stellten. „In ruhiger Gelassenheit und unserer Tradition bewusst können wir daher selbstbewusst den Blick auf die Aufgaben richten, die uns gestellt sind.“
Zum Leitbegriff „vernünftig“ bemerkte Liebig: „Abseits aller Hysterie und von allem sachfremden Aktionismus stehen wir als Landeskirche für Entscheidungswege, die vernünftig und damit plausibel sind. Dazu gehört, ganz in anhaltischer Tradition, der beständige Diskurs all derjenigen, die Entscheidungen beteiligt sind. Als Kirche in Anhalt fühlen wir uns in besonderer Weise der Vernunft verpflichtet, da wir im profanen Umfeld auf Menschen treffen, denen die Vernunft – so sagen sie jedenfalls – über die Maßen wichtig ist. Wir müssen erläutern und erklären können, was wir glauben und welche Bedeutung dieser Glaube für unser Leben hat. Letztlich überschreitet der Glaube freilich die engen Grenzen des Verstandes.“
Ergänzend zur beschriebenen „Vernunft“, zu plausiblen Entscheidungen und rationalem Nachdenken, so Liebig, sei jedoch auch die Frömmigkeit entscheidend: „In jedem Fall brauchen wir für die Stärkung unseres Glaubens und eines lebendigen Christseins die tägliche Begegnung mit der Heiligen Schrift und das tägliche Gebet.“
Hintergrund: Anhaltische Landessynode Die Landessynode ist neben dem Landeskirchenrat und der Kirchenleitung eines der drei Leitungsgremien der Evangelischen Landeskirche Anhalts. Sie besteht aus 33 von den Ältesten der Kirchenkreise gewählten und sechs von der Kirchenleitung berufenen Synodalen. Zwei Drittel der Synodalen sind in Anhalt Nichttheologen, ein Drittel Theologen. Die Evangelische Landeskirche Anhalts hat derzeit rund 46.000 Mitglieder.
Ansprechpartnerin für Medien während der Synode: Pfrn. Karin Bertheau, Tel. 0177 / 241 53 62
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