"Resignation darf nicht Oberhand gewinnen"
Dessau-Roßlau, am – Die Frühjahrssynode der Evangelischen Landeskirche Anhalts hat am Freitag mit dem Bericht von Kirchenpräsident Helge Klassohn zur Lage der Landeskirche begonnen. Angesichts der notwendigen und von der Synode im Frühjahr 2004 beschlossenen Umstrukturierungen und Einsparungen bei Pfarr- und Mitarbeiterstellen betonte der Kirchenpräsident: „Unsere künftigen kirchlichen Strukturen sollten so beschaffen sein, dass in ihnen mit deutlich weniger Finanzmitteln als bisher eine in die Gesellschaft ausstrahlende und die Menschen gewinnende Arbeit in Zeugnis und Dienst geleistet werden kann.“ Eine Stimmung der Resignation und Enttäuschung dürfe nicht die Oberhand in der Landeskirche gewinnen.
Die Synode hatte 2004 bei den Pfarrerinnen und Pfarrern im Gemeindedienst eine Reduzierung auf rund 43,25 Vollbeschäftigungseinheiten bis Ende 2006 beschlossen. Um dieses Ziel zu erreichen, so Klassohn, sehe ein Konzept des Landeskirchenrates unter anderem vor, künftig rund 30 Prozent der 55 Gemeindepfarrerinnen und -pfarrer in Teildienstverhältnissen zu beschäftigen. Das sei auch in anderen Landeskirchen üblich. Dienstvereinbarungen mit den Kirchengemeinden sollten gerade diesen Pfarrerinnen und Pfarrern dabei helfen, den künftig begrenzten Umfang der eigenen Arbeit besser zu bestimmen und sie vor zu hohen Erwartungen schützen. Zugleich würden Regionalvereinbarungen eine bessere Zusammenarbeit zwischen Kirchengemeinden und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglichen. Die Hauptamtlichen sollten durchaus nicht immer selbst die praktische Arbeit durchführen, sondern Hilfe zur Selbstorganisation und eigenständigen Durchführung vor Ort leisten. „Deshalb werden die Gemeindekirchenratswahlen in unserer Landeskirche im Oktober 2005 bei der Frühjahrssynode auch eine wichtige Rolle spielen.“ Bei aller Vielfalt der Interessen, Erwartungen, Glaubens- und Lebensformen könne die vom Apostel Paulus beschriebene „Einheit durch das Band des Friedens“ auch in der anhaltischen Landeskirche gewahrt werden. „Das gilt besonders in diesen schwierigen Umbruchszeiten mit den schwierigen Einschnitten in bisherige Dienstverhältnisse. Ich bin der festen Überzeugung, dass es uns umso mehr gelingen wird, je mehr wir uns auf den einen Herrn als Mitte ausrichten, so dass sich Vielfalt und Konzentration in unserem kirchlichen Leben ergänzen und aufeinander bezogen sind.“ In seinem Bericht nahm der Kirchenpräsident auch Bezug auf das zentrale Thema der Frühjahrssynode: „Die Taufe sollten wir noch viel mehr als bisher mit Tauferinnerungsfeiern, mit festlichen Taufgottesdiensten, mit dem Begehen von Taufjubiläen ins Zentrum unserer missionarischen Bemühungen rücken.“ Im Hinblick auf die Folgen der Hartz-IV-Reformen sagte Klassohn: „Gerade in diesen unsicheren Zeiten des Übergangs hat der Sozialstaat eine unbezweifelbare und unangefochtene soziale Grundsicherung für die Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, wie z.B. einen gesetzlich garantierten Mindestlohn und eine gesetzlich garantierte Mindestrente.“ Keinesfalls dürfe es dazu kommen, dass bei fortschreitender Globalisierung, Rationalisierung und Automatisierung der Wirtschafts- und Arbeitsprozesse nur noch die Jungen und Ausgebildeten gefördert würden, während von einer wachsenden Schicht von Ausgegrenzten und „nicht mehr Benötigten“ das Stillhalten und sich Abfinden mit wachsender Not im sozialen Abseits gefordert werde. „Würde und Bedeutung eines Menschen im erwerbsfähigen Alter für die Gemeinschaft dürfen nicht mehr wie bisher allein über den Arbeitsmarkt definiert werden. An wachsende Armut in unserer Gesellschaft werden wir uns nicht gewöhnen dürfen.“ Mit Blick auf die Situation des Religionsunterrichts in den Schulen erteilte der Kirchenpräsident der geplanten Einführung eines staatlich verantworteten Pflichtfaches „Werteunterricht“ in Berlin eine deutliche Absage. „Es gibt ein großes Bedürfnis nach Orientierung und nach Werten aus der christlichen Tradition. Deshalb begrüßen wir die Absicht der Landesregierung, das Angebot von Religionsunterricht und Ethikunterricht in den Schulen zu verstärken. Wir erwarten, dass damit der Auftrag in der Sachsen-Anhaltischen Landesverfassung hinsichtlich der allgemeinen Einführung von Religions- und Ethikunterricht als Wahlpflichtfächer erfüllt wird.“ Kinder und Jugendliche müssten die Chance haben, im Religionsunterricht als ordentlichem Lehrfach der glaubwürdig vermittelten biblischen Überlieferung und christlichen Glaubensinhalten zu begegnen. „Im Sinne der Beschlüsse der Landessynode vom Herbst 2004 sind wir unsererseits bereit, alles uns Mögliche dazu beizutragen.“ Zur Diskussion um den Neuzuschnitt der Kreisgebietsgrenzen in Sachsen-Anhalt sagte Klassohn: „Ich begrüße das Engagement von Ministerpräsident Prof. Dr. Wolfgang Böhmer für die Region Anhalt. Ich unterstütze ausdrücklich die Initiative zur Bildung eines Großkreises Anhalt. Dies wäre nach meiner Ansicht die bessere Lösung und würde die Region Anhalt in vielerlei Hinsicht stärken, wobei Dessau-Roßlau die Kreisfreiheit und den Status eines Oberzentrums behalten sollte.“ Sei der Großkreis Anhalt zurzeit nicht erreichbar, so sollte zumindest rasch ein „Landschaftsverband Anhalt“ gebildet werden, betonte Klassohn. „Anhalt ist mit seiner über 800-jährigen Kontinuität als Fürstentum, Herzogtum und Freistaat bis 1945 ein zentraler Identitätsstifter in unserem Bundesland Sachsen-Anhalt. Anhalt ist in seinem Wappen präsent, wird in der Verfassung erwähnt und sollte nicht in einer Polarität zwischen den Regionen um Magdeburg und Halle verschwinden. Gemeinsam mit Landes- und Kommunalpolitik sollten wir Anhalt für die Zukunft stärken.“